Eine Analyse der Medikamentenverschreibungen bei älteren Menschen in der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie zeigt, dass Frauen ein höheres Risiko für eine Mehrfachmedikation aufweisen und häufiger unangemessene Medikamente erhalten. Journal of Antimicrobial Chemotherapy
Die Lebenserwartung von Menschen, die mit HIV leben, hat sich dank der antiretroviralen Therapie deutlich erhöht. Infolgedessen steigt die Zahl der älteren Menschen, die mit HIV leben, kontinuierlich an. Ihre Behandlung ist aufgrund des Auftretens von altersabhängigen Begleiterkrankungen komplexer, was das Risiko einer Mehrfachmedikation, also der Einnahme von ≥ 5 Medikamenten, und folglich das Risiko für Arzneimittelwechselwirkungen erhöht. Zusätzlich können altersabhängige normale Körperveränderungen zu einer veränderten Beseitigung oder Wirkung einiger Medikamente führen, so dass deren Verabreichung bei älteren Menschen ungeeignet ist.
Diese Studie untersuchte die Häufigkeit, die Art und die Risikofaktoren für Probleme bei der Medikamentenverschreibung bei Personen ≥ 75 Jahre in der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie.
Diese Beobachtungsstudie umfasste 175 Teilnehmende, überwiegend Männer (71%) mit einem mittleren Alter von 78 Jahren. Die Teilnehmenden hatten im Durchschnitt 7 Begleiterkrankungen, hauptsächlich Bluthochdruck (61% der Teilnehmenden), Nierenfunktionsstörungen (56 %), erhöhte Blutfette (44%), Beeinträchtigung der Hirnfunktionen (39%) und Knochenschwund (30%).
Probleme bei der Verschreibung von Medikamenten wurden bei 67% der Teilnehmenden festgestellt und betrafen hauptsächlich Nicht-HIV-Medikamente. Zu den aufgetretenen Problemen gehörten Dosierungsfehler (26%); Medikamente, die ohne klaren Nutzen verschrieben wurden (21%); ausgelassene Verordnungen (17%); unangemessene Medikamentenverordnungen für ältere Menschen (18%) und potenziell schädliche Arzneimittelwechselwirkungen (17%).
Die Risikofaktoren für Probleme bei der Medikamentenverschreibung waren das Vorliegen einer Mehrfachmedikation, Nierenfunktionsstörung, Behandlung mit Psychopharmaka und das weibliche Geschlecht. Letzterer Risikofaktor erklärt sich aus der Erkenntnis, dass bei Frauen eine Mehrfachmedikation tendenziell häufiger vorkommt und Frauen mehr unangemessene Medikamente, insbesondere Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine, erhalten. Zahlreiche Studien zeigen geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnose und Behandlung bestimmter Krankheiten: Zum Beispiel werden psychotrope und schmerzlindernde Medikamente häufiger an Frauen verabreicht. Diese Beobachtung könnte darauf zurückgeführt werden, dass Frauen häufiger einen Arzt aufsuchen und ihre Beschwerden häufiger äussern, was dazu führen kann, dass Ärzte ihnen mehr Medikamente verschreiben.
Zusammenfassend zeigt die Studie, dass Probleme bei der Verschreibung von Medikamenten bei älteren Menschen, die mit HIV leben, häufig sind und über das bekannte Problem der Medikamentenwechselwirkungen mit der antiretroviralen Therapie hinausgehen. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Verschreibung von Medikamenten bei älteren Menschen gewidmet werden.