SHCS

Swiss HIV Cohort Study

& Swiss Mother and Child HIV Cohort Study

Bachmann et al., HIV-Reservoirs: Neue Erkenntnisse über die zähen Gegner auf dem Weg zur Heilung

16th October, 2019

HIV-Reservoirs: Neue Erkenntnisse über die zähen Gegner auf dem Weg zur Heilung.    Nature Communications

Eine der grössten Hürden für die Heilung von HIV stellt das Reservoir von latent HIV-infizierten Zellen dar. Diese bestehen vor allem aus infizierten, jedoch ruhenden CD4+ T-Gedächtniszellen. Diese Reservoirs bilden sich rasch nach der HIV-Infektion und überdauern auch eine jahrzehntelange Behandlung mit ART. Fachleute sind sich einig, dass die Heilung einer HIV-Infektion bei diesen viralen Reservoirs ansetzen und die latent infizierten Zellen darin entweder deutlich reduzieren oder – im besten Fall – eliminieren muss. Noch sind die Reservoirs aber nicht umfassend erforscht. Zwar ist bekannt, dass ihre Grösse nach dem Start der ART erst einmal abnimmt, und kleinere Studien haben gezeigt, dass sich die Grösse der Reservoirs individuell und über die Zeit hinweg auch unter einer laufenden ART stark verändern kann. Wegen der relativ kleinen Zahlen der Studienteilnehmenden und der relativ kurzen Studiendauer sowie der beschränkten Anzahl untersuchter Ko-Faktoren ergaben diese Untersuchungen bislang aber kein umfassendes Bild der Faktoren, welche die Grösse und die Veränderungen über die Zeit unter ART beeinflussen. Solche Erkenntnisse sind für das bessere Verständnis der latenten Reservoirs jedoch extrem wichtig.

Nadine Bachmann und ihre Kolleginnen und Kollegen eines multidisziplinären nationalen Forschungsteams von der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am USZ, haben nun in der bisher grössten longitudinalen Beobachtungsstudie untersucht, wie sich die Grösse des Reservoirs langfristig verändert und welche Faktoren die Veränderungen, bzw. die Grösse der Reservoirs beeinflussen. Dafür wertete das Forscherteam in aufwändigen Testreihen Blutproben und die dazugehörenden Daten von 1’057 Personen aus, die über viele Jahre erfolgreich mit ART behandelt wurden. Sie konnten dafür auf die Schweizerische HIV Kohortenstudie (SHCS) mit ihrer umfassenden Biobank zurückgreifen. In dieser seit 1988 laufenden prospektiven Kohortenstudie sind ca. 75% aller HIV-infizierten Menschen der Schweiz erfasst, die eine antiretrovirale Therapie bekommen und ihre Daten und Blutproben der Forschung zur Verfügung stellen. Die SHCS bietet damit eine einzigartige Datensammlung und Grundlage für die Forschung zu HIV. Dank dieser Sammlung standen von jeder der 1’057 Personen mindestens drei Proben zur Messung der HIV-Reservoirs zur Verfügung, die im Mittel 1.5, 3.5 und 5.4 Jahre nach Beginn einer ART entnommen worden waren. Von 412 Personen lagen Daten vor, die erlaubten, den Verlauf der HIV-Reservoirs bis auf zehn Jahre zurückzuverfolgen. Dank dieser umfassenden klinischen, virusgenetischen, demographischen, verhaltens- und therapiespezifischen Daten konnten erstmals eine Vielzahl potenziell Reservoir-beeinflussender Faktoren gleichzeitig in multivariablen, statistischen Modellen untersucht werden. Die Studie aus der SHCS erfasste zehnmal mehr Studienteilnehmer als die bisher grösste vergleichbare Studie und erlaubte entsprechend aussagekräftigere Resultate.

Im Durchschnitt fand sich eine Abnahme der Grösse der Reservoirs während der ersten 5.4 Jahre nach Beginn der ART mit einer geschätzten Halbwertszeit von 5.6 Jahren. Über die Beobachtungsdauer flachte der Abfall der Reservoirs deutlich ab und schien sich einem Plateau anzugleichen. Entgegen den Erwartungen fand sich jedoch trotz erfolgreicher antiretroviraler Therapie bei 281 (26.6%) der analysierten Personen keine Abnahme, sondern eine Zunahme der Grösse der Reservoirs. Dies war ein überraschender und wichtiger Befund. Hatte die Therapie innerhalb des ersten Jahres nach der HIV-Infektion begonnen und war die Viruslast zu diesem Zeitpunkt tief, waren auch die Reservoirs 1.5 Jahre nach Therapiestart tief.

Die genauen Gründe für die Zunahme des latenten Reservoirs bei einem Viertel der Patienten sind noch unbekannt. Eine der Hypothesen ist, dass sich bei diesen Patienten die latent infizierten Zellen teilen. Eine andere, dass sich bei einem Teil der Patientinnen und Patienten die HI-Viren trotz der antiretroviralen Therapie noch auf einem tiefen Niveau vermehren. Dass mangelnde Therapietreue der Patienten zu diesem Effekt geführt haben könnte, ist aufgrund der sehr validen Daten zur Therapietreue der Patienten oder zu Therapieunterbrühen allerdings weitgehend ausgeschlossen.

Dass sich bei den meisten Patienten unter Therapie eine Abnahme des latenten Reservoirs zeigte, bestätigte die Resultate von früheren Studien anderer Gruppen. Neu in der vorliegenden Studie war hingegen, dass sogenannte virale «Blips» – d.h. kurzzeitig zwischen zwei nicht nachweisbaren Plasma-Virusmessungen im Blut nachweisbare Viren – mit grösseren Reservoirs und mit einem kleineren Abfall derselben im Verlauf der Zeit zusammenhängen. Bisher galten diese Blips als klinisch nicht oder kaum relevant. Die Studie zeigt, dass diese jedoch von biologischer Bedeutung sind. Im Weiteren fanden sich auch tiefere HIV-Reservoirs bei Menschen nicht-weisser Ethnie.

Zusammenfassend hat die vorliegende Studie einige wichtige Erkenntnisse geliefert, welche zu einem besseren Verständnis des HIV-Reservoirs geführt haben. Daraus könnten Strategien abgeleitet werden, welche für die Heilung von HIV von Nutzen sind. Es bleiben immer noch viele Fragen zur Entstehung und Aufrechterhaltung des HIV-Reservoirs unverstanden. Allerdings haben die neuen Erkenntnisse zur Rolle der Blips klar gezeigt, dass «Proof of Concept»-Eliminationsstudien mit sorgfältig ausgewählten Patienten erfolgen müssen, weil sonst für die Forschung wichtige Effekte möglicherweise verpasst werden.

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