Die Plasma-HIV-1-RNA und die Anzahl der CD4+-T-Zellen sind ausschlaggebend für die virologische Nichtunterdrückung bei der Erstbehandlung mit Integrase-Inhibitoren. Clinical Infectious Diseases
Auch wenn heutzutage glücklicherweise nur noch wenige Menschen mit HIV unter antiretroviraler Therapie (ART) ein Therapieversagen aufweisen, ist es oft nicht klar, die Gründe dafür zu verstehen. In der Vergangenheit wurden oft eine hohe Viruslast und tiefe CD4 Zellen vor Beginn der Therapie als Grund für ein vermehrtes Therapieversagen identifiziert.
Mit Verfügbarkeit der Integrase-Hemmer, speziell auch Dolutegravir, trat in den ersten Studien dieser Zusammenhang nicht mehr auf. Alvarez und Kollegen aus der internationalen RESPOND Kollaboration untersuchten nun in 4’310 Menschen mit HIV, welche eine erste antiretrovirale Therapie starteten, Risikofaktoren für ein Therapieversagen. Die Schweizerische HIV Kohortenstudie (SHCS) ist ebenfalls Teil des RESPOND Konsortiums. Es wurden Menschen eingeschlossen, die zwischen 2014 – 2020 mit einer ART bestehend aus drei antiretroviralen Substanzen begonnen hatten. 72% starteten mit einer Therapie, welche einen Integrase-Hemmer beinhaltete. Nach 48 und 96 Wochen Therapie zeigten 91% respektive 93.3% eine unterdrückte Viruslast. Eine hohe Viruslast von mehr als 100’000 HIV Kopien/ml Plasma und CD4 Zellen von weniger als 200/ul Blut vor Beginn der Therapie waren assoziiert mit nachweisbarem Virus im Blut nach einem und nach zwei Jahren. Hohe Viruslasten und tiefe CD4 Zahlen waren ebenfalls mit zwischendurch auftretender Virämie (blips), niederiger Virämie (low level viremia) und residueller Virämie (Virus nachweisbar unter 50 HIV RNA Kopien/ml) assoziiert. Eine CD4 Zellzahl von weniger als 200 CD4 Zellen/ul Blut war zudem auch mit vermehrtem Therapieversagen assoziiert.
Zusammenfassend fand diese Studie, dass die ursprünglich relevanten Faktoren wie hohe Viruslast und tiefe CD4 Zellzahl vor Therapiebeginn auch in Zeiten der modernen und potenten Integrase-Hemmer weiterhin eine Voraussagekraft für virales Versagen beinhalten. Die Resultate von Alvarez et al. bestätigen eine Studie von Pyngottu et al. aus der SHCS (besprochen am 26. Januar 2023). In der Praxis heisst das, dass bei Menschen mit HIV, welche vor Therapiebeginn eine hohe Viruslast und tiefe CD4 Zellen aufweisen, eine erhöhte Wachsamkeit bezüglich Therapieversagen angebracht ist (z.B. 3-monatliche Viruslastmessungen). Bei nachfolgenden Therapievereinfachungen (z.B. Zweiertherapien) ist zudem eher Vorsicht geboten bzw. sollten 3-monatliche Viruslastmessungen erfolgen.