HIV-Protease-Hemmer und deren Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Lancet HIV
Die ersten HIV-Protease-Hemmer kamen Mitte der Neunziger Jahre auf den Markt. In Kombination mit anderen HIV-Substanzen konnten damit HIV-positive Personen zum ersten Mal wirksam behandelt werden. Frühere Studien haben gezeigt, dass die erste Generation der Ritonavir verstärkten Protease-Hemmer mit einem erhöhten Risiko für Herzkreislauferkrankungen vergesellschaftet war. Unklar war, ob dieses erhöhte Risiko auch für die neueren Protease-Hemmer besteht. Diese neuste Generation von Ritonavir verstärkten Protease-Hemmern wurde in den letzten 10 Jahren häufig eingesetzt. Die aktuelle Studie hat aufgezeigt, dass der kumulative Einsatz des neusten Protease-Hemmers Darunavir (Prezista®) mit einem erhöhten Risiko für Herzkreislauferkrankungen vergesellschaftet ist. Ob dieses Risiko auch für andere Protease-Hemmer besteht, lesen sie weiter unten.
Die Autoren der Studie haben in den verfügbaren Datenbanken alle Studien herausgesucht, welche den Zusammenhang von Herzkreislauferkrankungen mit dem Einsatz von Protease-Hemmer untersucht haben. Die Suche umfasste Studien seit der Markteinführung der Protease-Hemmer bis Mitte August 2016.
Die Suche ergab folgende Resultate: Innerhalb einer Beobachtungszeit von sieben Jahren erlitten 1’157 von 35’711 Teilnehmern (3.2%) eine Herzkreislauferkrankung (Herzinfarkt oder Schlaganfall). Die Einnahme des Protease-Hemmers Darunavir zusammen mit dessen Verstärker Ritonavir erhöhte das Risiko für eine Herzkreislauferkrankung um 59 Prozent pro zusätzliche fünfjährige Einnahmezeit. Bei Personen mit einem bereits vorbestehenden hohen Risiko (>10%) für Herzkreislauferkrankungen verdoppelte sich das Risiko für eine Herzkreislauferkrankung unter Ritonavir verstärktem Darunavir. Für den Protease-Hemmer Atazanavir (Reyataz®) zeigte sich hingegen dieses erhöhte Risiko nicht. Die statistischen Analysen ergaben zudem keine Hinweise darauf, dass das erhöhte Risiko für Herzkreislauferkrankungen unter Ritonavir verstärktem Darunavir durch einen ungünstigen Einfluss auf die Blutfette zustande kommt.
Zusammenfassend zeigt die Studie, dass die kumulative Einnahme des neusten Protease-Hemmer Darunavir mit dessen Verstärker Ritonavir mit einem erhöhten Risiko für Herzkreislauferkrankungen vergesellschaftet ist. Dieses Risiko ist insbesondere bei Personen mit Vorliegen anderer Risikofaktoren (erhöhte Blutfette, Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes) gegeben. Aufgrund der Ergebnisse dieser Studie sollte der Einsatz von Ritonavir verstärktem Darunavir bei Personen mit einem hohen Risiko für Herzkreislauferkrankungen nur noch zurückhaltend erfolgen und eine Umstellung auf ein Darunavir-freies Therapie-Regime evaluiert werden.
Kommentar Dr. med. D. Braun und Prof. H. Günthard, SHCS
Es muss klar darauf hingewiesen werden, dass Ritonavir verstärktes Darunavir immer noch eine wichtige Therapiestütze darstellt bei Menschen, welche von früheren Therapieversagen her ein multiresistentes HI-Virus in sich tragen. In diesen Fällen ist Ritonavir verstärktes Darunavir weiterhin von grosser Bedeutung.